Was unterscheidet die EU-IFRS von den IFRS des IASB?

Ausgangspunkt: IFRS des International Accounting Standards Board (IASB)

Die International Financial Reporting Standards (IFRS) sind ein Set international weit verbreiteter Bilanzierungsregeln. Sie werden vom privatwirtschaftlich organisierten International Accounting Standards Board (IASB) mit Sitz in London entwickelt und herausgegeben.

Neben den als International Financial Reporting Standards (IFRS) bezeichneten neueren Verlautbarungen des IASB umfassen diese auch

  • die von der Vorgängerinstitution verabschiedeten International Accounting Standards (IAS) sowie
  • Interpretation zu diesen Regelungen (IFRIC und SIC).

Diese Regelungen des IASB werden nachfolgend verkürzt als „IASB-IFRS“ bezeichnet.

Endorsementsprozess macht IASB-IFRS zu in der EU verbindlichen IFRS („EU-IFRS“)

Die vom IASB veröffentlichten IFRS sind nicht unmittelbar durch europäische Unternehmen anzuwenden. Hierzu müssen sie erst von der EU-Kommission zur Anwendung freigegeben  werden („Endorsement„).

Gemäß Artikel 3 der Verordnung (EG) Nr. 1606/2002 hat das Endorsement neuer IFRS im sogenannten „Ausschussverfahren“ unter Einbindung des Rechnungslegungsausschusses (ARC) zu erfolgen. Im praktischen Ablauf wirken hierbei mit der European Financial Reporting Advisory Group (EFRAG) und der Prüfgruppe für Standardübernahmeempfehlungen (SARG) weitere Expertengruppen beratend mit.

Bei positiven Votum der Expertengremien und des Rechnungslegungsausschusses stimmt die EU-Kommission den neuen IFRS mit EU-Parlament und EU-Rat ab und gibt diesen per EU-Verordnung zur Anwendung frei. Die entsprechende EU-Verordnung wird rechlich verpflichtend mit Ihrer Übersetzung in die Amtssprachen der EU und ihrer Veröffentlichung im Amstblatt der EU. Diese im Amtsblatt der EU veröffentlichten IFRS werden nachfolgend als „EU-IFRS“ bezeichnet.

Unterschiede zwischen IASB-IFRS und EU-IFRS

Infolge des Endorsement-Prozesses, den sie durchlaufen müssen, unterscheiden sich die auf dieser Seite dargestellten EU-IFRS in folgenden Punkten von den vom IASB verabschiedeten IFRS („IASB-IFRS“):

  • Zeitpunkt der Erstanwendung: Teilweise sind neue Regeln bereits von IASB zur Anwendung vorgesehen, von der EU jedoch noch nicht freigegeben. Unter welchen Bedingungen Unternehmen solche noch nicht freigegeben IFRS in der EU ggf. dennoch anwenden dürfen erfahren Sie in einem Beitrag von Pellens/Jödicke/Jödicke im Betriebs-Berater 2007.
  • Umfang der Regelungen: Häufig werden die vom IASB verabschiedeten Verlautbarungen durch die EU nicht mit allen Zusatzmaterialen übernommen. So fehlen in den EU-IFRS in der Regel die Gründe für die IASB-Beschlussfassung („basis for conclusions„) sowie zum Teil erläuternde Beispiele („illustrative examples„), Anwendungsleitlinien („implementation guidance“) oder ähnliche nicht-integrale Anhänge oder Ergänzungen zu den Standards.
  • Inhalte der Regelungen: Die EU behält sich vor, die IASB-Verlautbarungen ggf. nicht vollständig zu übernehmen, sondern dem Unionsinteresse nicht entsprechende Textziffern von der Übernahme auszusparen („carve-out„), so etwa in der Vergangenheit bzgl. einer Regelung des IAS 39, die später vom IASB so angepasst wurde, dass IASB-IFRS und EU-IFRS wieder übereinstimmten. Grundsätzlich stimmen die IASB-IFRS und die EU-IFRS damit abgesehen von im Übernahmeprozess immer wieder entstehender redaktionioneller Fehler und/oder Übersetzungsfehlern überein. Eine Ausnahme hiervon bildet IFRS 17, den die EU-Kommission Ende 2021 nicht 1:1 übernommen hat. Stattdessen wurde in Artikel 2 Absatz 2 der entsprechenden Übernahmeverordnung ein Wahlrecht eingefügt, bestimmte Versicherungsverträge in der EU abweichend zu den Vorgaben des IASB zu bewerten, so dass EU-IFRS und IASB-IFRS hier hier seit Ende 2021 auch substantielle inhaltliche Unterschiede aufweisen.

Die von der EU-Kommission in deutsche Sprache übersetzten und zur Anwendung freigegeben IFRS sind abhängig von Erstanwendungszeitpunkt auf dieser Internetseite für Sie zusammengefasst.